Richard und Ludwig

So kennt man Richard Wagner gar nicht: Zurückhaltend dem eigenen Genie gegenüber, eher ein Adlatus, als ein Souverän. Aber es gehörte auch zu den Facetten seines Selbstverständnisses, sich nicht nur musikalisch im Gefüge seiner Zeitgenossen zu verorten, sondern literarisch einen Beitrag zu leisten. Als der junge Wagner 1840 seine „Pilgerfahrt zu Beethoven“ verfasste, hatte er durchaus Eichendorffs erfolgreichen „Taugenichts“ im Kopf, der seinerseits sich mit Verweis auf Grimmelshausen als deutsches Ideal des Authentischen stilisiert hatte, ironisch im Unterton, von vielen aber ernst gelesen. Wagner also reist fiktiv nach Wien, trifft nach einigen Wirren den Titanen der Klassik, der ihm prompt – die Novellentheorie lässt grüßen – die Geheimnisse des Kunstwerkes anvertraut, von denen inspiriert sich nun der junge Nachfolger der eigenen Schaffenskraft hingeben kann.

Ein charmanter Text, besonders dann, wenn er von jemandem wie Klaus Maria Brandauer gelesen wird. Da ersteht der milchbärtige Richard vor dem Auge des Publikums in der Freiheizhalle, sogar in zweifacher Ausführung, weil das Konzert von Schloss Blutenburg aus meteorologischen Gründen ins Innere hatte verlegt und doppelt aufgeführt werden müssen. Er kämpft also als Wanderer der künstlerischen Einsicht mit einem launischen Engländer, einem mürrisch-melancholischen Großkomponisten, den Herausforderungen kreativer Anspruchshaltungen. Brandauer hat Spaß an den erzählten Rollen und der Münchner Pianist Amadeus Wiesensee gibt der Lesung das passende musikalische Fundament. Denn er umrahmt den Text mit den beiden Sätzen von Beethovens letzter, rätselhaft frei wirkender Sonate op.111, mit inwendiger Kraft, aber auch einer Prise Hintersinn, vor allem im zweiten, motivisch launischen Satz. So wächst ein konziser Abend zusammen, ein Austausch über die Jahrhunderte und Generationen hinweg.

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