Tag 8: Saitenmagie

Es ist verblüffend, wie weit junge Menschen es bringen können, wenn sich Talent mit Ehrgeiz, Kondition und Leidenschaft verbindet. Die Geigerin Clara Shen zum Beispiel ist 12 Jahre alt und spielt Paganini und Wieniawski mit einer fröhlich-schüchternen Sebstverständlichkeit, als hätte sie die Kompositionen eben erst selbst erdacht. Ziyu He hat gerade mal seinen 18.Geburtstag hinter sich und macht sich mit einer derart wilden Wucht Variationen ebenfalls von Paganini zueigen, dass das Publikum in der Reithalle nur noch staunen kann. Und der Pianist Niu Niu agiert mit einer Nonchalance am großen Steinway, dass man sich in der Pause noch über Details der Pedaltechnik streiten kann, nicht aber darüber, ob der Zwanzigjährige demnächst in den großen Hallen unterwegs sein wird.

So kann sich der Cellist Danjulo Ishizaka als bereits im Konzertgefüge etablierter Gastgeber des Abends den Luxus gönnen, sich für Schumann, Franck oder Mendelssohn zu den Rising Stars zu gesellen, um auf Augenhöhe und mit viel Begeisterung zu musizieren. Am Ende schließlich finden alle vier Beteiligten zusammen, um mit einer Bearbeitung von Rachmaninoffs ‚Vokalise‘ die Menschen in die Nacht zu entlassen. So mancher wird im Anschluss daran noch eine Weile weiter gestaunt haben, wegen der jungen, beeindruckenden Künstler, aber auch über das Konzept eines Festivals, das sich andere Räume als üblich sucht und es damit schafft, der Musik eine veränderte Aura zu geben. Denn ein Ort wie die Reithalle, wo im Anschluss an Stars And Rising Stars in wenigen Tagen ein Tanzfestival stattfinden wird, atmet die Luft des Experiments. Und das tut auch der Kammermusik gut, die trotz historischer Herkunft auf diese Weise sehr gegenwärtig klingt.

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