Maurice Steger hatte die Überraschung auf seiner Seite. Mit Ausnahme einiger Spezialist:innen im Publikum rechnete wohl kaum jemand mit dem, was der Schweizer Stargast mit seinem Instrument zu präsentieren vermochte. Denn die Blockflöte ist üblicherweise mit den Bemühungen musikalischer Früherziehung verbunden, manchmal aus eigener Erfahrung erlitten, zuweilen auch als wohlwollendes Elternteil, das die hochtönende Hingabe pädagogisch geführter Ensembles mit stoischer Gelassenheit erträgt. Ganz anders aber stellt sich Stegers Kosmos dar.
Telemanns „Don Quixotte Suite“ wird zum bunt schillernden Hörfilm der klingenden Komik, vom Komponisten bereits so um den glücklosen Ritter angelegt, von der Flöte gemeinsam mit der Salzburger Hofmusik mit flirrender Begeisterung interpretiert. Vivaldis „Il Gardellino“ wirkt kaum weniger farbig, im ruhigen Satz bis hin zur bildhaft hörbaren Idylle interpretiert. Diese Vielfalt liegt zum einen an der verblüffenden Spielkompetenz und Überzeugungskraft Stegers, der stellenweise tänzelnd, mit außerdem stetiger Emphase der Musik Nachdruck verleiht. Es hängt aber auch mit der Salzburger Hofmusik zusammen, die mit ebensolchem Enthusiasmus auf höchstem Niveau die historischen Klangräume zu vermitteln vermag.
Die Rising Stars des Abends im Münchner Odeon – heute Bayerisches Innenministerium, einst berühmter Konzertsaal – sind diesem barocken Feuerwerk vorgelagert. Zum einen stellen sich der Geiger Ziyu He und der Pianist Elias Keller mit Antonin Dvoráks G-Dur Sonatine vor, ein wogend kommunikatives Duo, das beiden die Möglichkeit gibt, sich gegenseitig virtuos schweifend zu umkränzen. Darüber hinaus lässt Keller Frédéric Chopins 2.Ballade solistisch mit großer Geste und viel charmant romantischer Verinnerlichung aufwallen.
Das ist wuchtiges, bedeutungsgeladenes 19.Jahrhundert als Gegenpol zum fröhlichen Divertissement vorangegangener Jahrhunderte. Ein vielfältiger, wenn auch angesichts des aktuell arktischen Münchner Klimas unter beinahe freiem Odeon-Glasdachhimmel ein wenig frühlingshaft fröstelnd.