Humor, Liebe und Musik

Ein Abend der Hochachtung. Eric Lu, ein famoser chinesisch-amerikanischer Pianist auf dem Sprung zur internationalen Karriere, der dem großen Herrn mit ausgesuchter Höflichkeit zu Seite steht, wenn er einen Arm brauchen könnte, um aus seinem Vortragsstuhl aufzustehen. Alfred Brendel, der 91jährige Meister des klassisch-romantischen Klaviers und Grandseigneur des Intellektuellen, der mit einem wissenden Blick der Sehnsucht dem bald drei Generationen jüngeren Kollegen lauscht, wenn er sich einst von ihm selbst gepflegtem Repertoire widmet. Mehr denn je hat man an einem Abend wie diesem im Künstlerhaus am Lenbachplatz den Eindruck, einer Geniusübertragung beizuwohnen, wie die Optionen einer aus der Erfahrung der Alten erwachsenden interpretatorischen Reife von einem Vertreter der jugendlichen Gegenwart aufgenommen und betörend kompetent verarbeitet werden.

Eric Lu spielte Brahms, Schumann, Schubert, Haydn, Chopin. Er waren mal vermeintlich leichte Stücke wie aus den „Waldszenen“, mal humoristisch durchtränkte Ausflüge wie das Finale von Haydns C-Dur Sonate, mal auch ein Assoziationsreigen fluider Innerlichkeit wie Schuberts Ges-Dur Impromptu. Er wagte sich aber auch an Chopins „Sonate b-moll, op.35“, ein in sich aufwühlend ungezügeltes Panoptikum der virtuosen gestalterischen Gegensätze, einschließlich des berühmten Trauermarsches. Und er schaffte es mit kontrollierter und umsichtiger Wucht, nicht nur den Flügel an dessen Grenze zu bringen, sondern auch dem Stück eine enorme Feinheit in der Wirkung abzugewinnen. Brendel wiederum konterte mit essayistischen Reflexionen etwa über die Besonderheiten von Solo-Konzerten und Programmplanung, vor allem aber über das, was die Menschlichkeit ausmache. Am Ende bleibe für ihn Humor, Liebe und Musik als das Eigentliche unserer Spezies, das er ohne Vorbehalte schätze. Und von allem war an diesem Abend etwas zu spüren, zu erleben.

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