Haydn und Humor

Manchmal blitzt es aus seinen Augen. Dann spürt man den Schalk hinter all dem Intellekt und der faszinierenden Erfahrung eines langen Künstlerlebens. Alfred Brendel spielt nicht mehr. Er überlässt inzwischen gerne einem jungen Pianisten wie Ariel Lanyi den Stuhl am Klavier. Aber er formuliert gerne. Und er liebt auch beim Schreiben und Analysieren die Präzision der Interpretation. Wenn er aus dem Leben von Joseph Haydn erzählt und ihn als einen verkannt zeitgemäßen Ahnherrn der musikalischen Moderne charakterisiert, dann will er dem Wesen des Komponisten auf ähnlich nachfühlende Art nahekommen, wie er es früher bei Schubert, Beethoven oder Mozart am Klavier tat.

Es ist ein feuilletonistisch eloquentes Vergnügen alter Schule, dem 93-jährigen Brendel in die Erinnerungen zu folgen. Wenn er über die Notwendigkeit von Humor für die Menschlichkeit in der Musik sinniert, wenn er seine persönliche Geschichte des Hörens oder auch seine charmante Replik auf die Verleihung eines Kritikerpreises präsentiert, dann ahnt man auch im gelesenen Wort den Meister der gedanklichen Durchdringung, als der er am Klavier bekannt und geschätzt wurde. Und wenn er dann die Staffel an den jungen israelischen, in London lebenden Pianisten Ariel Lanyi übergibt, ist es eine Geste der Wertschätzung, einem werdenden Meister der übernächsten Generation seinen Segen zu geben.

Denn Ariel Lanyi stellt sich als ebenso feinsinniger wie im Brendel’schen Sinne humorvoller Gestalter heraus. Seine Haydn-Sonate schöpft aus viel Fröhlichkeit, manchmal beinahe schnippisch, als hätte sich der Komponist in seiner Strenge der Oberfläche unbemerkt eine Tändelei erlaubt. Chopins Polonaise-Fantasie wird zu einer hinreißend fragilen Melodien-Ranke, die trotz stellenweise aufbrausender Dynamik die Offenheit einer fast schon improvisiert wirkenden Form feiert. Beethovens späte E-Dur-Sonate wiederum spielt Lanyi klar und durchsichtig, spart sich wühlende Gesten zugunsten einer für den alten Komponisten erstaunlich zugänglichen Nähe. Ein bisschen Chopin noch in der Zugabe und die Eröffnung des Stars and Rising Stars Festivals 2024 im Künstlerhaus am Lenbachplatz wurde zum Fest der reflektierten musikalischen Kraft.

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